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Hanna
Heute stelle ich eine alte Frau vor, eine Prophetin aus Jerusalem: Hanna. Hanna ist beinahe 84 Jahre alt. Aber ihr Herz und ihr Verstand sind jung. Denn sie wartet. Hanna wartet, dass Gott den Menschen große Freude schenkt. Sie ist wach und neugierig auf die Zukunft. Sie wartet, dass Gott die Einsamen tröstet, die Kranken heilt, die Müden und Verzweifelten aufrichtet. Sie wartet, dass Gott für Recht und Frieden sorgt. Sie wartet, dass Gott sein Volk Israel erlöst aus der schweren Situation, in der es leben muss.
Hanna lebt allein. Als sie jung war, war sie verheiratet. Aber dann ist ihr Mann gestorben nach sieben Jahren Ehe. Sie hatten keine Kinder. Jetzt ist Hanna eine alte Frau. Alles geht mühsam und langsam bei ihr - das Aufstehen, das Essen, das Sprechen, das Gehen. Trotzdem macht sie sich Tag für Tag auf den Weg in den Tempel. Wenn Gott kommt, so denkt sie, dann kann ich das hier zuerst erkennen.
Einmal kommt ein junges Paar in den Tempel. Die Frau trägt ein kleines Kind im Arm. Die beiden wollen Gott danken für die Geburt des Kindes, und sie wollen, dass das Kind in Gottes Gemeinde aufgenommen wird. Das Kind heißt Jesus. Die Eltern heißen Maria und Josef.
Hanna sieht den Mann und die Frau. Und sie sieht vor allem das Kind. Sie erkennt: In diesem Kind kommt Gott selbst! Zuerst kann sie es kaum glauben. Ein Kind kann doch nicht Gott sein, denkt sie. Ein Kind braucht doch selbst Hilfe und Schutz - wie soll es andere schützen und ihnen helfen?
Hanna geht auf die Eltern zu. Sie schaut das Kind ganz aus der Nähe an. Und plötzlich fängt sie an zu singen - glücklich, gelöst, mit kraftvoller Stimme: "Gott ist mit uns! Schaut es euch an! Die Hilfe ist da. Ein Kind! In der Schwäche des Kindes kommt Gottes Kraft. In der Hilflosigkeit des Kindes kommt Gottes Hilfe. In der Winzigkeit des Anfangs zeigt sich Gottes Größe." - Hanna singt wie ein junges Mädchen. Viele bleiben stehen und lassen sich anstecken von ihrer Freude. Und manch einer ahnt an jenem Tag: Dieses Kind wird die Welt verändern!
Die Autorin: Pfarrerin Annemarie Ritter, Bayreuth