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Judas

(Matthäus 26, 20-25 und 27, 3-10)

Über Judas möchte ich nachdenken. In der Passionsgeschichte spielt Judas eine wichtige Rolle: Er ist einer von den 12 Aposteln, gehört also zum engsten Freundeskreis von Jesus. Beim letzten gemeinsamen Abendessen mit seinen 12 Jüngern sagt Jesus voraus: "Judas wird mich verraten." So geschieht es. Judas führt die Feinde Jesu zu ihm. Er gibt Jesus einen Freundschaftskuss. Das ist das verabredete Zeichen. Jesus wird verhaftet. Als Jesus zum Tod verurteilt wird, ist Judas sehr verzweifelt und erhängt sich.

Als Kind habe ich gedacht: Ganz klar – Judas ist böse, die anderen 11 Apostel sind gut. Heute weiß ich: So einfach ist es nicht – weder in der Bibel noch im Leben. "Gut" und "böse" sind in vielfältiger Weise ineinander verwoben.

Judas gehörte wahrscheinlich zu einer Gruppe von Widerstandskämpfern, den so genannten Sikariern ("Dolchträgern"). Der Name "Judas Ischariot" weist darauf hin. Die Sikarier wollten Israel von der Herrschaft der Römer befreien – wenn nötig, auch mit Gewalt. Sie hofften auf einen Befreier, der einen politischen Umsturz, eine Revolution herbeiführen würde. Auch Judas hoffte wohl leidenschaftlich auf so einen Befreier. Und er glaubte fest, dass Jesus dieser Befreier, dieser "Messias" ist. Aber Jesus verhielt sich nicht wie ein Revolutionär.

Ich stelle mir vor, Judas wollte ihn provozieren. Jesus sollte endlich als starker Mann auftreten und allen beweisen, dass er der Messias ist. Judas verstand sich als Freund von Jesus. Judas meinte es gut. Aber: "Gut gemeint" ist oft das Gegenteil von "gut". Entsetzt muss Judas mit ansehen, dass Jesus sich nicht gewaltsam gegen seine Feinde durchsetzt. Im Gegenteil: Er wird zum Tod verurteilt. Judas wirft das Geld, das er bekommen hatte, den Hohenpriestern vor die Füße. Dann erhängt er sich. Er kann nicht mehr weiterleben. Sein Glaube an einen "revolutionären Messias" ist enttäuscht worden. Seine Hoffnung auf ein politisch freies Israel ist zerbrochen. Als Freund, der es "gut meinte", ist er schrecklich schuldig geworden.

Gibt es eine Rettung für Judas und für Menschen, die in eine ähnlich verzweifelte Situation geraten wie er? – Jesus ist "hinabgestiegen in das Reich des Todes". Früher hieß es: "hinabgestiegen zur Hölle". Das bedeutet: Es gibt keinen Bereich, der völlig getrennt ist von Jesus. Jesu Freundschaft erreicht auch noch den verzweifeltsten und schuldigsten seiner Freunde. Es gibt Hoffnung auf Rettung – auch für Judas und für alle, denen es geht wie ihm.

Die Autorin: Pfarrerin Annemarie Ritter, Bayreuth

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